Was ist eigentlich Normativität? Warum ist Bewusstsein über die eigene Position in der Gesellschaft wichtig? Und was hat das mit Diskriminierung zu tun?
In der Gesellschaft existieren angenommene Ideen, welche oft unhinterfragt bleiben. Das nennt sich Normativität und bestimmt, was von den Menschen der betroffenen Gesellschaft als „natürlich“ und „normal“ empfunden wird. Über einen langen Zeitraum haben sich in einer Gesellschaft diese Ideen verankert. In der deutschen Gesellschaft wird beispielsweise Heterosexualität, Weißsein oder das Christentum als „natürlich“ wahrgenommen. Parallel entstanden und existieren Zuschreibungen von Andersartigkeit. Das passiert aufgrund von Merkmalen, welche das Erwartete oder „Natürliche“ brechen. Hierrunter fallen vor allem die Gegensätze der oben genannten „natürlich“ bewerteten Merkmale, also beispielsweise Homosexualität, Schwarzsein oder der Islam. Was als „natürlich“ oder „anders“ bewertet wird, ist strukturell in einer Gesellschaft verankert. Es wird uns als Kindern beigebracht, verankert sich als Ideen in unseren Köpfen, wird erwartet und als Folge in unseren Handlungen weitergetragen. Wenn man beispielsweise in einer Gesellschaft aufgewachsen ist, wo Heterosexualität die Norm ist, fragt man sich bei männlich gelesenen Menschen eventuell, ob sie eine Partnerin haben, nicht aber einen Partner. Man geht von bestimmten Annahmen aus, welche die Möglichkeiten bestimmen, was sein kann. Eine andere Bezeichnung für diese Erwartungen ist Stereotype. Die Angst vor sozialem Ausschluss, weil wir ein Bedürfnis nach Zugehörigkeit haben, bedingt, dass durch Normativität auch aktiv Möglichkeiten verschlossen bleiben und Grenzen aufgezogen werden. Menschen wird beigebracht sich selbst abzulehnen, wenn sie von der Norm abweichen. Das führt zu einer inneren Diskrepanz zwischen authentischem und gezeigtem Ich und Leid bei betroffenen Personen. Deswegen zögern beispielsweise viele Menschen mit ihrem Outing.
"'Anders' und 'unnormal' ist die Kurzform von 'Du hast so nicht zu sein' und 'Du bist falsch'."
Als Menschen einer Gesellschaft haben wir zugeschreibene „natürliche“ oder „andersartige“ Merkmale innewohnend, welche unsere Position in der Gesellschaft festlegen. In Machtstrukturen bestimmen unsere Merkmale und inwiefern sie von der Norm abweichen oder nicht, ob wir privilegiert oder diskriminiert sind. So erfahren beispielsweise queere Menschen (situativ) Ausschluss oder ein Gefühl von Andersartigkeit, während cis-hetero Menschen jene Erfahrungen nicht machen werden. Queerfeindlichkeit ist dabei lediglich eine Diskriminierungsform und kann sich mit anderen überlappen, was zu ganz neuen Diskriminierungserfahrungen führt. Das nennt sich auch Intersektionalität. Beispielsweise erfahren Schwarze Lesben eine andere Diskriminierung als weiße Lesben.
Die Norm ist in einer Gesellschaft sichtbar. Normativität bestimmt Erwartung und demnach auch Sichtbarkeit in beispielsweise Medien, Schulbüchern oder als Präsenz in einer Institution. Wo man in der Gesellschaft positioniert ist, bestimmt demnach, wie sichtbar man vertreten ist und auch wie zugehörig man sich fühlt. Als „natürlich“ wahrgenommene Merkmale sind sichtbar und versichern dem betroffenen Menschen Zugehörigkeit und auch Privilegien.
Oft erkennen Menschen, welche der Norm entsprechen ihre Privilegien nicht oder, dass es Menschen gibt, die wegen ihrer Andersartigkeit Diskriminierung erfahren. Das ist nicht verwerflich, sondern das Produkt mangelnder Aufklärung und Sensibilisierung in der Gesellschaft.
Gleichzeitig ist uns wichtig zu erwähnen, dass Diskriminierung als Gewalt zu verstehen ist und großes Leid auslöst. Diskriminierung führt zu extremen psychischen und auch körperlichen Folgen. Symptome gleichen denen von Missbrauch. Dazu findet ihr hier mehr.
Uns ist es wichtig, sich der eigenen Position bewusst zu sein und strukturelle Diskriminierung zu erkennen, um (1) zu verstehen, dass es keine Neutralität gibt und wir alle gewisse Eigenschaften innewohnend haben, welche unser Erleben beeinflussen und (2) um eine Haltung zu entwickeln, welche jenes Wissen als Fundament trägt und (3) um das Leben aller Menschen bereichern zu können. Dazu benötigt es Austausch und Reflexion – ein Zuhören, Annehmen und dann auch aktiv werden.
Falls ihr Interesse habt euch einzubringen und unser Team bunter zu machen, meldet euch gerne bei uns! Wir wissen, dass wir kein allumfassender safer space sein können. Gleichzeitig hoffen wir durch einen diskriminierungssensiblen Umgang und Sensibilisierung unserer Mitglieder, einen Raum zu schaffen, wo sich alle wohlfühlen können.